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Löffler-Ragg: "Frühe begleitende Therapie im niedergelassenen Bereich hat Priorität in der Behandlung von Post-COVID-Patient:innnen"

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16. Juni 2023 Frühe Therapie bei Post-COVID

Seit gut eineinhalb Jahren gibt es das Behandlungsnetzwerk Post-COVID in Tirol. Nun ist es an der Zeit unsere Erkenntnisse in den Versorgungspfad außerhalb des Krankenhauses einfließen zu lassen.

Seit gut eineinhalb Jahren gibt es das Behandlungsnetzwerk Post-COVID in Tirol. „In dieser Zeit erfolgten über 1.000 Arztkontakte an den diversen Spezialambulanzen der tirol kliniken. Viele Patient:innen wurden an mehreren Ambulanzen vorstellig“, so die Ärztliche Leiterin des Versorgungsnetzwerkes Post-COVID Tirol, Forschende an der MUI und Primaria der Abteilung Pneumologie Natters, Judith Löffler-Ragg: „Nun ist es an der Zeit unsere Erkenntnisse in den Versorgungspfad außerhalb des Krankenhauses einfließen zu lassen. Ein erster Schritt ist es, die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie die Bevölkerung darüber zu informieren, dass bei anhaltenden post-infektiösen Beschwerden eine möglichst frühe, wohnortnahe und niederschwellige Therapie, den Erfolg auf Verbesserung des Erkrankungsbildes stark erhöht“, so Löffler-Ragg. „Ergotherapie, Physiotherapie, Psychotherapie, aber auch die Begleitung durch Case Manager, Sozialarbeiter oder die mobilen Dienste helfen den Betroffenen, schneller wieder ins Leben zurück zu finden.“

Mehr als 400 Patient:innen wurden dem Landesinstitut für Integrierte Versorgung (LIV) Tirol vom niedergelassenen Bereich bereits zugewiesen. Derzeit wenden sich wöchentlich rund fünf neue Patient:innen an die Koordinationsstelle. „Die Anfragen und Neuvorstellungen sind anhaltend stark. Wir koordinieren weiterhin zahlreiche Termine an der Klinik Innsbruck in den verschiedenen Fächern“, erklärt Post-COVID-Koordinatorin Daniela Langer. „Bisher wurden über 1.000 Arzttermine an den Spezialambulanzen durchgeführt. Besonders häufig ist hier die Abklärung einer Fatigue-Symptomatik. Es handelt sich hierbei um schwere Erschöpfungszustände, die Betroffene arbeitsunfähig machen und bei denen bisher durch körperliche Befunde alleine die Ursachen nicht geklärt werden können“, weiß Klinikdirektorin an der Psychiatrie II Barbara Sperner-Unterweger, „eine fehlgeleitete Aktivierung des Immunsystems wird initial vermutet, aber letztlich dürften biologische, psychische und soziale Faktoren bei den Betroffenen die Regeneration verzögern und müssen entsprechend im Therapieansatz berücksichtigt werden.“ Viele Patient:innen bessern sich im weiteren Verlauf, allerdings gibt es auch einzelne mit schwerer Symptomatik, die längerfristig eine therapeutische Unterstützung benötigen. Besonders für diese schwer Betroffenen sind  neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus der internationalen Forschung wichtig.

Frühe und breite Therapie verspricht Erfolg

Die begleitende wissenschaftliche Erhebung an der Universitätsklinik Innsbruck wird mit Mitte Juni abgeschlossen. Derzeit werden die Ergebnisse ausgewertet. „Die Erfahrung mit über 400 Post-COVID-Patient:innen in den vergangenen eineinhalb Jahren haben jedoch gezeigt, dass in den meisten Fällen mit den uns zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden wie Labor und Bildgebung kein auffälliger Befund trotz hoher Symptomlast gefunden werden kann. Dies kann für Betroffene einerseits beruhigend aber häufig auch frustrierend sein. Die Patient:innen verlieren häufig viel Zeit mit dem Aufsuchen verschiedenster Ärzt:innen und haben aber oft noch keine Form der rehabilitativen Therapie erhalten“, betont Löffler-Ragg, und weiter: „Die Empfehlung lautet deshalb, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte die Patient:innen nach einer Basisdiagnostik so früh als möglich, je nach Symptomatik, in ein wohnortnahes breit definiertes Therapie-Packet zuweisen, welches je nach Bedarf, Psychotherapie, Ergotherapie, Physiotherapie, Sozialberatung, Case Management, und mobile Betreuung beinhalten sollte.“ Regelmäßigen terminisierten Hausarztkontakten kommt ebenso eine wichtige Bedeutung zu.

„Diese Art der Therapie und Begleitung der Post-COVID-Patient:innen verspricht einen besseren Therapieerfolg, je früher die Patient:innen damit starten können“, erklärt auch Physiotherapeut Andreas Mühlbacher von der Reha Münster. „Wir haben aber auch dazu gelernt: Jene Betroffene, die an einer Belastungsintoleranz leiden, sprich an einer Verschlechterung nach verschiedensten Formen der Belastung (sogenannte Crashes) müssen wir vorsichtig und dosiert therapieren (sogenanntes Pacing). Hier muss das Leben oft mit großen Einschränkungen „neu gelernt werden“, was für Betroffene, ihre Angehörigen und ihr berufliches und soziales Netzwerk sehr belastend ist“, so Mühlbacher.

„Die genannten multimodalen Therapien, d.h. eine Kombination aus Psychotherapie, Ergotherapie, Physiotherapie, Sozialberatung, Case Management, mobiler Betreuung und terminisierten Arztkontakten zeigt bei vielen Patienten:innen eine gute Wirksamkeit. Die Durchführung einzelner Therapiebausteine in kleinen Gruppen von Patienten:innen mit ähnlichen Symptomen ermöglicht auch den Austausch untereinander, wodurch ein weiterer Wirkfaktor entsteht. Behandlungskonzepte für solche Gruppen werden gerade an der Universitätsklinik für Psychiatrie II entwickelt“ berichtet Katharina Hüfner, Ärztin an der Universitätsklinik für Psychiatrie II.

„Ergotherapeutische Interventionen zeigen insbesondere im Hinblick auf das Meistern des Alltags zuhause, gesundheitsfördernde Neugestaltung des täglichen Lebens bis hin zu beruflichen Möglichkeiten gute Erfolge“ gibt Ursula Costa, Wissenschaftlerin und Studiengangsleitung Ergotherapie an der fh Gesundheit in Innsbruck ihre Erfahrungen gerne weiter: „Wir bemühen uns jetzt um einen Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer für niedergelassene Therapeut:innen aus allen Fachrichtungen und freuen uns über eine Anbindung an unser Netzwerk“ so Löffler-Ragg. Kontaktdrehscheibe ist hier die Koordinatorin Post-COVID Tirol am LIV Tirol Daniela Langer (postcovid@liv.tirol, +43 (0)664 88 42 60 57).

Patient:innenversorgung im Zentrum

„Patientinnen und Patienten mit Post-COVID fühlen sich von der Gesellschaft wenig verstanden und akzeptiert“, so Daniela Langer, die sich aufgrund unzähliger Patient:innnegesprächen auch ein wenig als Sprachrohr der Patient:innen sieht: „Sie würden sich wünschen, dass die Erkrankung offiziell Anerkennung findet, weil sie sich ständig rechtfertigen müssen“, und weiter: „Post-COVID-Patient:innen leiden deshalb nicht nur an körperlichen Einschränkungen, sondern es steht auch ganz klar die soziale Komponente im Fokus. Diese Erkrankung betrifft viele junge Menschen, die sich im Arbeitsleben befinden. Hier kämpfen sie mit Krankenständen, Wiedereingliederung aber auch Arbeitslosigkeit. Meine Aufgabe ist es hier nicht nur zu koordinieren, sondern auch diese Menschen sehr stark beratend zu begleiten“, erzählt Langer.

Die Koordinationsstelle Post-COVID Tirol arbeitet daher derzeit an einer strategischen Neuausrichtung des Patient:innenpfades, zur bestmöglichen Versorgung der Patient:innen.

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